Auf den ersten Blick halten viele Anleger inflationsgeschützte Anleihen-ETFs zum Schutz gegen die aktuell stark steigende Inflation für eine gute Idee. Aber die Konstruktion ist komplex. Die Erwartung vieler Anleger, einen guten Schutz zu haben, wurden durch den aktuellen Crash inflationsgeschützter Anleihen-ETFs in den vergangenen 12 Monaten massiv enttäuscht. Warum ist das so?
Letztendlich sind es 4 wesentliche Faktoren, die diese Anleihen-ETFs beeinflussen: Bonität, Währung, Restlaufzeiten und Konzeption des Inflationsschutzes. In meinem Beispiel ist die Bonität sehr gut, aber die anderen Faktoren eben nicht. Die Restlaufzeiten waren zu lang, die Währung war in EUR abgesichert (dadurch gab es keine USD-Kursgewinne) und der Inflationsschutz greift (noch) nicht, wenn sich die Inflations-Erwartungen nur für einen kurzen Zeitraum ändern.
In meinem Beispiel geht es konkret um den Xtrackers II Global Inflation-Linked Bond UCITS ETF - 1C EUR ACC H (WKN: DBX0AL). Xtrackers ist die ETF-Tochter der DWS, diese wiederum die Tochter der Deutschen Bank.
Einer meiner Kunden hatte im vergangenen Herbst die Vermutung, dass die Inflation anziehen könnte. Und hat sich daraufhin nach ETFs umgesehen, die einen Inflationsschutz versprechen. Dabei ist er auf den o.g. inflations-geschützten ETF gestoßen. Der Fonds hat mit 1,4 Mrd. EUR Fondsvolumen eine durchaus signifikante Größe und der Chart sah prima aus:
Quelle: comdirect, Kursverlauf des Xtrackers ETF (DBX0AL) vom 01.01.2010 bis 30.09.2021
Daraufhin hat mein Kunde im Oktober 2021 in diesen ETF investiert. Und aufgrund der steigenden Inflation und des Krieges in der Ukraine hat sich die Inflation in Europa und den USA in den 12 Monaten von ca. 2 % auf ca. 8 % etwa vervierfacht.
Damit lag er also eigentlich ganz richtig. Doch was macht der inflations-geschützte Anleihen-ETF? Hier der aktuelle Chart:
Quelle: comdirect, Kursverlauf des Xtrackers ETF (DBX0AL) vom 18.10.2021 bis 17.10.2022
Der Kurs des ETF stürzt ab und der Anleger reibt sich verwundert die Augen. Er hatte mit höheren Zinsen und höherer Inflation gerechnet und er war sicher, ein gutes Produkt in diesem Marktumfeld gekauft zu haben.
Das Ergebnis per heute: Ein Buchverlust seit dem Hoch im Dezember 2021 von 64 Euro je Anteil oder -24%! Damit erreicht der ETF (kurzzeitig?) wieder sein Niveau von Dezember 2012!
Wie kann das sein, habe ich mich gefragt?
Bei der Beurteilung von Anleihen-ETFs sind grundsätzlich die drei oben bereits genannten Kriterien relevant: 1) Die Bonität der Emittenten 2) Die Währung, in der sie herausgegeben werden 3) Die Restlaufzeit der in dem ETF enthaltenen Anleihen.
In unserem Fall kommt noch ein 4. Kriterium dazu: der Inflationsschutz.
1) Die Bonität. Sie ist in unserem Fall unkritisch, da die Ratings der Anleihen in dem ETF klasse sind:
Quelle: extraetf.com
Die drei weiteren Kriterien sind leider nicht so gut und damit Gründe für die schlechte Performance:
2) Die
Währung. Das große "H" am Ende des ETFs bedeutet „Hedged“. Also währungsgesichert in EUR. Damit wurden die
Währungsgewinne in USD neutralisiert. Und der Fonds investiert zu fast 50% in USD:
Quelle: DWS, https://etf.dws.com/de-de/LU0290357929-global-inflation-linked-bond-ucits-etf-1c-eur-hedged/
Die Variante des ETFs ohne Währungsabsicherung (WKN DBX0NN) hat sich durch den starken USD deutlich besser entwickelt.
Dieser ETF liegt im Jahresvergleich (Oktober 21 bis Oktober 22) bei einem Verlust von nur -14 % gegenüber -22 % bei dem ETF mit Währungsabsicherung:
Quelle: fondsweb.com
3) Die
Laufzeiten. Das „Hauptproblem“ des ETF ist aber die ungünstige Laufzeitstruktur und die eher hohe
Duration (Kapitalbindungsdauer):
Quelle: extraetf.com
Die eher lange Restlaufzeit und die hohe Duration führen bei starken Zinssteigerungen zu deutlichen Kursverlusten. Bei 1% Zinsanstieg verliert der ETF ca. 8,7%!
Das ist notwendig, damit sich der ETF der Marktverzinsung anpasst. Steigt z.B. der Zins von 1% auf 2% werden neue Anleihen viel besser verzinst. Die alten Anleihen gleichen das aus, indem der Kurs entsprechend der Duration verliert. In unserem Fall um durchschnittlich 8,7% für alle im ETF enthaltenen Anleihen. Bis Laufzeitende erzielen jetzt beide eine Verzinsung von 2%. Die alten Anleihen durch spätere Kursgewinne + Verzinsung, der neuen Anleihen durch die höhere Verzinsung.
Und wir haben in den vergangenen 9 Monaten einen extremen Zinsanstieg gesehen, der in den USA eher über +3% betrug. Daher kommen die massiven Kursverluste des ETF!
4) Und was ist mit dem Inflationsschutz?
Ich habe mir das Prinzip bei den inflationsgeschützten US-Anleihen (TIPS) angesehen und aus meiner Sicht funktioniert das wie folgt: Bei der Ausgabe der von dem ETF gehaltenen Anleihen wird die erwartete Inflation geschätzt und der Coupon um diesem Betrag reduziert. Die Rückzahlung erfolgt dann zum Ausgabekurs plus realer Inflation gemessen am Verbraucherpreisindex.
Beispiel (nur zur Verdeutlichung des Wirkungsprinzips und zur Vereinfachung ohne Zinseszins, Kosten und Steuern!):
Zins bei normalen Anleihen 2,5%, erwartete Inflation 2%. Damit ergibt sich eine Realverzinsung von 0,5%. Nehmen wir eine Laufzeit von zehn Jahren an.
Die normale Anleihe wird zu 100% ausgegeben, nach einem Jahr werden 2,5% Zinsen gezahlt, nach zwei Jahren erneut, usw. Die Rückzahlung erfolgt nach 10 Jahren wieder zu 100%. Ertrag 25% kumuliert.
Die inflationsgeschützte Anleihe wird ebenfalls zu 100% ausgegeben, der Coupon beträgt aber nur 0,5% (also in Höhe der erwarteten Realverzinsung). Verzinsung in zehn Jahren: 5%.
Fall 1: Nehmen wir jetzt eine tatsächliche Inflation von jährlich 1% an. Die Rückzahlung erfolgt dann zu 110%. Der gesamte Ertrag beträgt 15%.
Fall 2: Nehmen wir jetzt eine tatsächliche Inflation in Höhe der erwarteten Inflation von jährlich 2% an. Die Rückzahlung erfolgt dann zu 120%. Der gesamte Ertrag beträgt 25%. Somit identisch zur normalen Anleihe.
Fall 3: Nehmen wir jetzt eine tatsächliche Inflation von jährlich 3% an. Die Rückzahlung erfolgt dann zu 130%. Der gesamte Ertrag beträgt 35%.
Was bedeutet das für unseren o.g. ETF? Hier spielt nach meinem Verständnis die Erwartung am Markt und die hohe Restlaufzeit eine große Rolle. Wenn der Markt eine höhere Inflationserwartung von 7% nur für 1 Jahr hat, dann bedeutet das eine zusätzliche Kurssteigerung gegenüber der normalen Anleihe von 5%.
Dem stehen bei einer Duration von 8,7 Jahren und angenommenen 3% Zinserhöhung ca. 26,1% Kursverluste gegenüber! Der Inflationsschutz reduziert den Verlust somit im Saldo nur auf 21,1% Kursverlust. Und aktuell nicht mehr! Das könnte sich aus meiner Sicht ändern, wenn die Inflation entgegen den Erwartungen für mehrere Jahre sehr hoch bleibt. Dann steigt der Rückzahlungskurs der Anleihen und damit der Kurs des ETF.
Fazit: Die aktuellen Kursverluste des inflationsgeschützten Anleihen-ETF sind massiv. Durch die Währungsabsicherung gab es keine Kursgewinne für die darin hoch gewichteten USD-Anleihen. Die Restlaufzeiten und die Duration waren in einem Umfeld stark steigender Zinsen deutlich zu lang. Der Inflationsschutz wirkt nicht bei kurzzeitig hoher Inflation, von der die Märkte aktuell ausgehen.
Wie geht der Anleger nun mit diesem inflationsgeschützten Anleihen-ETF in seinem Depot um? Noch aussteigen, zukaufen oder einfach liegen lassen? Das ist die spannende Frage, auf die ich zusammen mit meinem Kunden Antworten entwickeln werde ...
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Dipl.-Kfm. Christian Schmitz
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